18.05.2022 | TOP NEWS, Biodiversität und Naturschutz, Medienmitteilung

Gärtnern mit heimischen Pflanzen für den Arterhalt

Der Gartenbau kann einen wichtigen Beitrag zur Bestandsentwicklung von Pflanzenarten leisten. Die Traubenhyazinthe (<em>Muscari botryoides</em>) wird auf der deutschen Roten Liste als &bdquo;gef&auml;hrdet" gef&uuml;hrt, wird aber h&auml;ufig als Zierpflanze verwendet und hat ihren Bestand in den letzten Jahrzehnten um 65 Prozent erh&ouml;ht.&nbsp; (Bild: Wikimedia Commons)

Der Gartenbau kann einen wichtigen Beitrag zur Bestandsentwicklung von Pflanzenarten leisten. Die Traubenhyazinthe (Muscari botryoides) wird auf der deutschen Roten Liste als „gefährdet" geführt, wird aber häufig als Zierpflanze verwendet und hat ihren Bestand in den letzten Jahrzehnten um 65 Prozent erhöht.  (Bild: Wikimedia Commons)

Der Bestand der einheimischen Zierpflanze Atlantische Glockenblume (<em>Hyacinthoides non-scripta</em>) hat im gleichen Zeitraum sogar um mehr als 1100 Prozent zugenommen.&nbsp; (Bild: Wikimedia Commons)

Der Bestand der einheimischen Zierpflanze Atlantische Glockenblume (Hyacinthoides non-scripta) hat im gleichen Zeitraum sogar um mehr als 1100 Prozent zugenommen.  (Bild: Wikimedia Commons)

Die Bittere Schleifenblume (<em>Iberis amara</em>) ist laut Roter Liste in Deutschland ausgestorben, kommt aber noch vereinzelt in st&auml;dtischen Gebieten vor und ist bei vielen Gartenanbietern erh&auml;ltlich.&nbsp; (Bild: Wikimedia Commons)

Die Bittere Schleifenblume (Iberis amara) ist laut Roter Liste in Deutschland ausgestorben, kommt aber noch vereinzelt in städtischen Gebieten vor und ist bei vielen Gartenanbietern erhältlich.  (Bild: Wikimedia Commons)

Die heimische Uferpflanze, der Hahnenfu&szlig; (<em>Ranunculus lingua</em>), der vielerorts durch Entw&auml;sserung und &Uuml;berd&uuml;ngung verschwunden ist, kann in G&auml;rtnereien als Topfpflanze bestellt und im Teich oder auf dem Balkon gehalten werden. (Bild: Wikimedia Commons)

Die heimische Uferpflanze, der Hahnenfuß (Ranunculus lingua), der vielerorts durch Entwässerung und Überdüngung verschwunden ist, kann in Gärtnereien als Topfpflanze bestellt und im Teich oder auf dem Balkon gehalten werden. (Bild: Wikimedia Commons)

Hinweis für die Medien: Die von iDiv bereitgestellten Bilder dürfen ausschließlich für die Berichterstattung im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter Angabe des/der Urhebers/in verwendet werden.

Forschende schlagen Maßnahmen des Conservation Gardenings für Trendwende im Gartenbau vor

Halle/Leipzig. Auf urbanen Grünflächen könnten vermehrt rückläufige heimische Arten gepflanzt werden. Wie dieses große Potenzial für den Artenschutz genutzt werden kann, beschreiben Forschende des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Universität Leipzig und anderer Einrichtungen. In ihrer jüngsten Studie, die in der Zeitschrift Nature Sustainability veröffentlicht worden ist, empfehlen sie konkrete Maßnahmen des Conservation Gardenings für eine Trendwende im Gartenbau.

Trotz globaler Bemühungen um die Biodiversität gehen viele Pflanzenarten zurück. Allein in Deutschland sind das 70 Prozent aller Pflanzenarten. Fast ein Drittel (27,5 Prozent) aller Pflanzenarten ist bedroht, 76 Arten gelten hierzulande bereits als ausgestorben. Ein Großteil dieses Verlustes ist auf den Rückgang natürlicher Lebensräume zurückzuführen, etwa durch die zunehmende Verstädterung. So sind allein in Deutschland zehn Prozent der Gesamtfläche Siedlungsfläche.

Doch genau diese Siedlungsflächen bergen ein erhebliches – wenn auch noch ungenutztes – Potenzial für den Naturschutz. Denn zu diesen Flächen zählen Millionen von Privatgärten, Balkons und Gründächer sowie Parks und anderes öffentliches Grün. Forschende von iDiv, den Universitäten Halle und Leipzig sowie weiterer Einrichtungen schlagen vor, diese potenziell verfügbaren Flächen für Conservation Gardening zu nutzen. 

Bei dieser gärtnerischen Praxis wird das Pflanzen von im Rückgang begriffenen heimischen Arten gezielt gefördert. Als heimisch werden Pflanzen bezeichnet, die in ihrem Lebensraum natürlich vorkommen. Hier haben sie sich im Laufe der Evolution an spezifische Umweltbedingungen angepasst und mit anderen Arten gemeinsam weiterentwickelt. Gerade diese für unsere Ökosysteme wichtigen Arten sind jedoch im Rückgang begriffen. „Gärtnerinnen und Gärtner sind seit jeher für die Verbreitung von Pflanzenarten verantwortlich. Sie könnten daher auch dazu beitragen die vielen verschwindenden heimischen Arten wieder zurückzubringen“, sagt Erstautorin Josiane Segar, Wissenschaftlerin bei iDiv und der MLU. „Öffentliche und private Gärten und Grünflächen könnten dabei eine zentrale Rolle für die Erhaltung der Pflanzenvielfalt spielen. Doch hierfür wäre eine Trendwende im Gartenbau nötig.“

Das ökonomische Potenzial für Conservation Gardening und einer solchen Trendwende sei vorhanden, so die Forschenden. Schließlich sei Gartenbau ein wichtiger Wirtschaftszweig in vielen Ländern: In Deutschland wurden beispielsweise im Jahr 2018 8,7 Milliarden Euro für Pflanzen ausgegeben – Trend steigend. Während der Corona-Pandemie stiegen die Pro-Kopf-Ausgaben für Pflanzen sogar um 9 Prozent. Ebenso sei das Bewusstsein für den Rückgang von Arten in der deutschen Bevölkerung stark gestiegen. Darüber hinaus hätten rückläufige heimische Arten auch klare Vorteile. Die meisten von ihnen seien an trockene Standorte angepasst und könnten daher besser mit Trockenperioden im Zuge des Klimawandels zurechtkommen als viele der derzeit im Gartenbau verwendeten Arten. Zusammen könne dies zu einer erhöhten Nachfrage nach Pflanzen für Conservation Gardening führen, wenn diese im großen Maßstab in Gartencentern verfügbar gemacht würden, so die Autorinnen und Autoren.

Als zentrales Element des Conservation Gardening schlagen die Forschenden daher eine stärkere Verzahnung von Gartencentern mit dem Markt für heimisches Saatgut vor. Die Vermehrung zertifizierten Saatguts heimischer Pflanzen sollte hierfür stärker finanziell unterstützt werden. Zusätzlich sollte die Vermarktung von zertifiziertem Saatgut in Gartencentern durch Mehrwertsteuersenkungen gefördert werden. Anhand von Etikettierung ließe sich auf die Vorteile von Conservation Gardening in Gartencentern hinweisen und die Nachfrage fördern. Entsprechende Vergabekriterien für öffentliche Aufträge an Gartenbauunternehmen könnten dazu beitragen, die Verwendung von im Rückgang begriffenen heimischen Pflanzenarten in öffentlichen Grünanlagen zu fördern. Die Forschenden schlagen ebenfalls vor, den Einsatz regionsspezifischer Listen zu rückläufigen Arten für gezielte Bepflanzungskonzepte für private und öffentliche Grünflächen zu nutzen. Auch könnten insbesondere zentrale Akteure Wissen über den Anbau und die Pflege rückläufiger heimischer Pflanzen verbreiten, wie Botanische Gärten, Universitäten, Naturschutzverbände, Nachbarschaftsgemeinschaften oder die öffentliche Verwaltung. 

„Conservation Gardening würde eine gezielte, strukturelle Veränderung des konventionellen Gärtnerns und Gartenbaus ermöglichen. Im großen Maßstab umgesetzt, erfordert es keine umfassenden Änderungen der bestehenden Naturschutz-Architektur”, sagt Senior-Autor Dr. Ingmar Staude von iDiv und der Universität Leipzig. “Vielmehr werden bestehende und wirtschaftlich tragfähige Strukturen genutzt, um rückläufige Arten bei der Bepflanzung von Grünflächen zu fördern. In einer zunehmend urbanen Welt könnte so Naturschutz für Bürgerinnen und Bürger greifbar und inklusiv gestaltet werden.” 

Urs Moesenfechtel / Sebastian Tilch


Originalpublikation:
(Forschende mit iDiv-Affiliation fett gesetzt)

Segar, J., Callaghan, C. T., Ladouceur, E., Meya, J. N., Pereira, H. M., Perino,A., Staude, I. R. (2022): Urban conservation gardening in the decade of restoration, Nature sustainability. DOI: 10.1038/s41893-022-00882-z. Open access link: https://rdcu.be/cNqDg 

 

Ansprechpartner:

Josiane Segar(spricht Englisch)
Doktorandin
Forschungsgruppe Biodiversität und Naturschutz
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
E-Mail: josiane.segar@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/profile/1162.html

 

Dr. Ingmar Staude(spricht Deutsch und Englisch)
Forschungsgruppe Biodiversität und Naturschutz
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Tel.: +49 341 9733136
E-Mail: ingmar.staude@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/profile/818.html

 

Urs Moesenfechtel, M.A.(spricht Deutsch und Englisch)
Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9733106
E-Mail: urs.moesenfechtel@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/profile/1464.html

 

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