Stadtnatur hilft bei der Anpassung an den Klimawandel
Kleingarten in Leipzig. Foto: Ines Carbal, UFZ/iDiv
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Bonn/Leipzig. Stadtgrün kann dem Hitzeinseleffekt von Städten effektiv entgegenwirken und so die Auswirkungen des Klimawandels abmildern. Auf einer internationalen Konferenz in Bonn werden in dieser Woche Möglichkeiten erörtert, die naturbasierte Lösungsansätze zu Schutz und Anpassung an den Klimawandel bieten. Die dreitägige Fachveranstaltung wird vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) organisiert. Über 230 Expertinnen und Experten aus Forschung, Politik und Praxis nehmen teil - darunter hochrangige Vertreter der EU-Kommission und der Leiter der Europäischen Umweltagentur.
„Stadtbäume, Fassaden- und Dachbegrünungen tragen durch Beschattung, Isolierung und Verdunstungseffekte zur Abkühlung der umgebenden Luft bei. Urbanes Grün macht unsere Städte widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und gleichzeitig attraktiv und lebenswert. Stadtnatur muss daher als grüne Infrastruktur verstärkt gefördert und ‚ausgebaut‘ werden“, sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel zur Eröffnung einer internationalen Fachkonferenz in Bonn. Solche positiven Beiträge von städtischem Grün zur Energieeinsparung und somit zum Klimaschutz konnten beispielsweise an einer Grünfassade in Wien nachgewiesen werden: Die sommerliche Verdunstung der Pflanzen an der 850 m
2 großen Fassade entspricht einer Kühlleistung von ca. 45 Klimaanlagen. Auch minderte sich der winterliche Wärmeverlust des Gebäudes um 50 Prozent. „Parks fungieren außerdem als „grüne Lunge“. Offene Grünflächen und -schneisen sorgen als Frischluftentstehungsgebiete für eine verbesserte Luftqualität in der Stadt. Sie filtern Luftschadstoffe und (Fein-)Staub aus und leiten Kaltluft aus dem Umland in die Stadtzentren“, so Beate Jessel. Neben Wien werden auf der Konferenz u.a. auch Vorzeigebeispiele aus den deutschen Städten Hamburg und Neuss sowie aus Ljubljana in Slowenien und drei tschechischen Städten vorgestellt.
Nach Ansicht von Experten erfüllt die städtische Natur über die Beiträge zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel hinaus noch vielfältige weitere Funktionen: Luftreinhaltung und Lärmminderung, Nutzung zur Naherholung, Sport und Naturerfahrung/Umweltbildung sowie die Unterstützung der psychischen und körperlichen Gesundheit. Insbesondere bei Starkregenereignissen sind Grünflächen und Gründächer wichtige Wasserspeicher, die die Kanalisation entlasten und Überschwemmungen verhindern helfen. „Diese naturbasierten Ansätze sind häufig kostengünstiger als rein technische Lösungen. Ein prominentes Beispiel ist der ‚Green Infrastructure Plan‘ von New York City, dessen Umsetzung Berechnungen zufolge 1,5 Mrd. US-Dollar weniger kostet als eine rein ‚graue‘ Strategie, die nur auf Technik setzen würde“, berichtet Prof. Dr. Aletta Bonn vom UFZ und iDiv, die auch an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu Ökosystemleistungen forscht und lehrt. Ihre Arbeitsgruppe untersucht solche Ansätze zum Beispiel in Lissabon und Leipzig.
Stadtgärten bieten große Chancen für Städte im Umbruch, wiederstandfähiger zu werden und die Artenvielfalt in der Stadt zu verbessern. Leipzig hat eine lange Tradition an Kleingärten. Hier begann 1864 die Schrebergärten-Bewegung. Diese Tradition wird heute durch neue Initiativen zu Gemeinschaftsgärten ergänzt. Diese Gärten bieten nicht nur Obst und Gemüse. Sie dienen auch der Klima- und Wasserregulierung, der Erholung und dem sozialen Zusammenhalt. „Zusammen mit den Gärtenvereinen haben wir im letzten Sommer unterschiedliche Gartentypen untersucht. Dabei standen ihre Auswirkungen auf die städtische Biodiversität und ihre sozialen Funktionen im Mittelpunkt, die wir auch dank der Mitarbeit der Gärtnerinnen und Gärtner analysieren konnten“, sagt Dr. Maria Inês Cabral vom UFZ & iDiv. Zusammen mit dem Botanischen Garten Leipzig und dem Leipziger Gartenprogramm - Netzwerk für Stadtnatur bereitet sie auch eine Ausstellung dazu vor.
Im Forschungsprojekt „Naturkapital Deutschland“ werden u.a. diese sogenannten Ökosystemleistungen der Stadtnatur vom UFZ deutschlandweit systematisiert und qualitativ sowie monetär bewertet. Darüber hinaus wurde die besondere Bedeutung des Stadtgrüns im Grünbuch des Bundesumweltministeriums beschrieben, dem sich unter Beteiligung des BfN derzeit die Erarbeitung des Weißbuches „Grün in der Stadt“ anschließt. Es soll im Frühjahr 2017 vorgestellt werden und Handlungsempfehlungen und Möglichkeiten der Umsetzung enthalten.
Hintergrund Rund drei Viertel aller Europäer leben mittlerweile in Städten – Tendenz steigend. In Deutschland leben etwa 75 Prozent der Einwohner in urbanen Gebieten. Da sich Städte aufgrund ihrer dichten Bebauung und hohen Flächenversiegelung schneller aufheizen und langsamer abkühlen, und es zudem einen geringeren Luftaustausch gibt, kommt es in vielen Innenstädten zu einer deutlichen Temperaturerhöhung gegenüber dem Umland. Dieser Hitzeinseleffekt kann nachts eine Temperaturdifferenz bis zu 11 Kelvin ausmachen. Im Zuge des Klimawandels wird nicht nur dieser „Hitzeinseleffekt“ verstärkt, sondern es werden auch Extremereignisse wie z.B. Hitzewellen zunehmen, die zu erhöhten Gesundheitsgefährdungen führen können. Darüber hinaus wird in Städten sowohl das Schadensrisiko durch Starkregenereignisse als auch durch Hochwässer steigen.
Konferenz
„Nature-based solutions to climate change in urban areas and their rural surroundings“, 17.-19.Nov. 2015 in Bonn
http://www.ecbcc2015.com/Weitere Informationen:
Prof. Dr. Aletta Bonn, Dr. Nadja Kabisch, Dr. Maria Inês Cabral
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) / Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) / Universität Jena
Tel.: +49-(0)341-9733-153, -177
http://www.ufz.de/index.php?de=33026https://www.idiv.de/de/das_zentrum/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/bonn-aletta.htmlhttps://www.idiv.de/de/das_zentrum/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/kabisch-nadja.htmlhttps://www.idiv.de/de/das_zentrum/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/cabral-maria-ines.htmlsowie
Susanne Hufe, UFZ-Pressestelle
Tel.: +49-(0)341-235-1630
http://www.ufz.de/index.php?de=640
und
Tilo Arnhold, iDiv-Pressestelle
Tel.: +49-(0)341-9733-197
http://www.idiv.de/de/presse/mitarbeiterinnen.html
und
Franz August Emde/ Ruth Schedlbauer, BfN-Pressestelle
Tel.: +49-(0)228-8491-4444
http://www.bfn.deLinks:
Bündnis Kommunen für die biologische Vielfalt
http://www.kommunen-fuer-biologische-vielfalt.de/home/
Leipziger Gartenprogramm
http://www.garten-leipzig.net/
UGALL – Urban gardens in Leipzig and Lisbon
http://www.urbanallotments.eu/fileadmin/uag/media/STSM/STSM_report_Cabral_Leipzig_Lisbon_dec_2014.pdf
Forschungsprojekt „Naturkapital Deutschland“
http://www.naturkapitalteeb.de/aktuelles.html
Stadtklima Leipzig: Vulnerabilität gegenüber Hitzestress
https://www.ufz.de/index.php?de=34361http://www.ufz.de/index.php?de=31863
Aletta Bonn zur Professorin für Ökosystemleistungen berufen (05.08.2015)
http://www.ufz.de/index.php?de=33064