Vom Boden zur Wurzelspitze: die Kohlhernie


Abbildung 1: Zwei wichtige Wirtspflanzen, die für die Kohlhernie anfällig sind: Ackerschmalwand und Raps. Die Abbildung wurde mit BioRender erstellt.

Abbildung 2: (A) Lebenszyklus der Kohlhernie und Ausbreitung der Krankheit. Die Kohlhernie kann jahrelang als ruhende Spore im Boden existieren. Wenn diese Spore mit einer anfälligen Pflanze in Berührung kommt, verwandelt sie sich in eine Zoospore, infiziert die Wurzeln und bildet Gallen. Die infizierten Wurzeln geben schließlich weitere Sporen in den Boden ab, die wiederum neue Pflanzen infizieren können. (B) Gesunde Pflanze im Vergleich zu einer mit der Kohlhernie infizierten Pflanze. Basierend auf Auer und Ludwig-Müller [3] und erstellt mit BioRender.

Abbildung 3: Wurzeln von Raps (A), Brokkoli (B), Rucola (C) und Grünkohl (D, E) die von Kohlhernie befallen sind, und gesunde Rapswurzeln (F).
Open PDF in new window.
Edel Pérez-López1
1Département de Phytologie, Faculté des Sciences de l’Agriculture et de l’Alimentation, Centre de Recherche et d’Innovation des Végétaux, Université Laval, Québec City, QC, Canada
Unter den Millionen von Mikroorganismen, die den Boden bevölkern, können einige pathogen sein, d.h. sie können zu einer Krankheit für Pflanzen werden. Einige Krankheiten sind besser bekannt als andere. Dies ist der Fall bei der Kohlhernie, die von einem sehr untypischen Mikroorganismus hervorgerufen wird, der Kreuzblütler wie Kohl, Grünkohl, Raps und die in der Forschung häufig verwendete Ackerschmalwand befällt. In diesem Artikel werden wir mehr über diese Kohlhernie und seinen Erreger erzählen, denn es gibt noch viel darüber zu entdecken. Und vielleicht wirst auch du irgendwann in der Zukunft Teil unseres Labors sein und einen faszinierenden Krankheitserreger aus dem Boden untersuchen.
DAS MÄRCHEN VON EINZELLERN UND PFLANZEN
Böden sind lebendig. Insekten, Würmer und Mikroorganismen leben darin und viele von ihnen stehen in enger Wechselwirkung mit Pflanzen. Diese Wechselwirkungen sind nicht immer von Vorteil für die Pflanzen. Denn der Boden beherbergt auch Lebewesen, die eine Gefahr für ökologisch und wirtschaftlich wichtige Pflanzen darstellen. Einige Pilze und Würmer sind bekannte bodenbürtige Krankheitserreger für Pflanzen, aber sie sind nicht die einzigen. Einige Protisten sind ebenfalls verheerende bodenbürtige Krankheitserreger für Pflanzen, obwohl sie weniger erforscht und bekannt sind. Protisten sind einzellige Organismen, die keine Tiere, Pflanzen oder Pilze sind.
Der Erreger der Kohlhernie oder Plasmodiophora brassicae, wie ihn Wissenschaftler nennen, ist ein Protist, der die Wurzeln von Kreuzblütlern wie Brokkoli, Kohl, Blumenkohl, Raps oder auch der Ackerschmalwand befällt, die häufig in der Pflanzenforschung verwendet wird [1]. Ackerschmalwand und Raps sind ein wichtiger Wirt für die Keulenwurzel, allerdings aus unterschiedlichen Gründen (Abbildung 1). Die Ackerschmalwand ist eine sehr nützliche Pflanze für Wissenschaftler, die verschiedene Aspekte der Pflanzen erforschen, z.B. ihre Genome, ihre Ökologie und ihre Beziehungen zu nützlichen Mikroorganismen oder Krankheitserregern [2]. Die vom Kohlhernienerreger befallenen Ackerschmalwandpflanzen sind das perfekte Modell, um zu untersuchen, wie der Erreger die Pflanze beeinflusst. Eine weitere Pflanze, die aus wirtschaftlicher Sicht äußerst wichtig ist, ist der Raps (Abbildung 1). Raps ist die Quelle für Rapsöl, ein Produkt, das in vielen Küchen der Welt verwendet wird. Allein in Kanada erwirtschaftet Raps rund 26 Milliarden Dollar (CAD) für die kanadische Wirtschaft, so dass ein Krankheitserreger, der die Rapsproduktion gefährdet, verheerende Folgen für die Wirtschaft haben könnte [1].
DER LEBENSZYKLUS DER KOHLHERNIE
Der Kohlhernienerreger kann bis zu 20 Jahre lang als inaktive Spore im Boden leben. Sporen sind Strukturen, die von einigen Krankheitserregern gebildet und an die Umwelt abgegeben werden. Sie haben eine dicke Zellwand, die ihnen hilft, viele Jahre im Boden zu überleben, wenn sie nicht in der Lage sind eine Pflanze zu infizieren. Wenn eine anfällige Pflanze in einer Erde wächst, die Sporen enthält, „erwachen“ diese "ruhenden Erreger" und verwandeln sich in Zoosporen, die sich an den Wurzeln der Pflanze festsetzen und eine Infektion auslösen. Der Infektionsprozess wird in zwei Phasen unterteilt: Primärinfektion und Sekundärinfektion (Abbildung 2A). Bei der Primärinfektion trifft der Erreger auf die Wurzeln und dringt in diese ein, wodurch die Infektion beginnt. Die Primärinfektion ist zwar wichtig, aber erst während der Sekundärinfektion bildet der Erreger in den Wurzeln anfälliger Pflanzen sogenannte Gallen, auch Hernien genannt, von der ihr vielleicht schonmal in der Medizin gehört habt, wenn jemand sich die Bauchwand "bricht" und die Eingeweide herausquellen. Gallen sind daher abnorme Auswüchse des Pflanzengewebes, die durch Pflanzenpathogene oder Insekten hervorgerufen werden. Diese Gallen verhindern, dass die Pflanze Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen kann, und führen schließlich zum Absterben dieser Pflanzen. Der Lebenszyklus des Kohlhernienerregers endet schließlich mit der Produktion neuer, ruhender Sporen, die in den Boden abgegeben werden um wieder eine neue Pflanze zu infizieren.
WAS BEDEUTET DIE KOHLHERNIE FÜR DIE WURZEL?
Die Gallen der Wurzeln sind der Grund, warum diese Krankheit als Kohlhernie bekannt ist. Als ich zum ersten Mal von der Kohlhernie hörte, dachte ich, es bedeute, dass die Wurzel nur ein bisschen ihre Form verändert. Aber in Wirklichkeit ist es viel schlimmer (Abbildung 2B). Denn durch die Kohlhernie verursachten Gallen sind verheerend. Im Labor haben wir festgestellt, dass 21 Tage nach der Zugabe des Erregers in den Boden die anfälligen Pflanzen abzusterben beginnen. Das Xylem und das Phloem - die Kanäle, über die die Pflanzen Wasser und Nährstoffe transportieren - sind vollständig blockiert. Interessant ist auch, dass diese Gallen in verschiedenen Pflanzen recht ähnlich aussehen (Abbildung 3).
WIE KÖNNEN WIR DIE KOHLHERNIE BEHANDELN UND DIESE PFLANZENKRANKHEIT BEKÄMPFEN?
Obwohl die Kohlhernie bereits im 16. Jahrhundert entdeckt wurde, gibt es vieles, was die Wissenschaftler noch nicht wissen [1]. Zur Bekämpfung der Kohlhernie haben die Landwirte chemische Mittel eingesetzt, wie bspw. Fungizide, also Mittel gegen Pilzkrankheiten - allerdings mit wenig Erfolg. Die beste Strategie ist tatsächlich der Anbau von Pflanzen, die gegen diese Kohlhernienkrankheit resistent sind. Jedoch entwickelt der Erreger der Kohlhernie schon nach wenigen Jahren neue Strategien um diese resistenten Pflanzen zu infizieren, so dass sie trotzdem anfällig für die Kohlhernie werden.
Wir versuchen einen Feind zu bekämpfen, den wir nicht sehr gut verstehen. Der erste Schritt im Kampf gegen die Kohlhernie besteht also darin alle Tricks aufzudecken, die dieser Krankheitserreger im Ärmel hat. An der Universität Laval (Quebec City, Kanada) untersuchen Wissenschaftler die Kohlhernienkrankheit um sie besser zu verstehen. Sie wollen wissen, wie der Erreger der Kohlhernie dem pflanzlichen Immunsystem entkommt und wie er Zellen zum Wachsen bringen kann um die Gallen zu bilden. Ziel ist es Pflanzen zu entwickeln, die gegen die Kohlhernie resistent sind und auf einem Feld mit oder ohne solcher Sporen überleben können. Vielleicht wirst du, der oder die junge neugierige Leser oder Leserin, in ein paar Jahren Teil dieses Teams sein, das sich mit diesem schlauen Krankheitserreger befasst.
GLOSSAR
Bodenbürtiger Krankheitserreger
Mikroorganismen, die im Boden überleben, sich dort bewegen und Pflanzen krank machen können.
Protisten
Winzige einzellige Organismen, die keine Tiere, Pflanzen oder Pilze sind.
Kreuzblütengewächse
Gemüse aus der Familie der Brassicaceae, darunter viele grüne Blattgemüse wie Blumenkohl, Kohl, Grünkohl, Gartenkresse, Brokkoli und Rosenkohl.
Spore
Vom Krankheitserreger gebildete Struktur, die eine dicke Zellwand hat, damit sie viele Jahre im Boden überleben kann, wenn sie nicht in der Lage ist, eine Pflanze zu infizieren.
Gallen
Abnormale Schwellungen oder Auswüchse von Pflanzengeweben, die durch mikrobielle Pflanzenpathogene oder Insekten verursacht werden.
BIBLIOGRAPHIE
[1] Botero, A., García, C., Gossen, B.D., Strelkov, S.E., Toddd, C.D., Bonham-Smith, P.C. and Pérez López, E. 2019. Clubroot disease in Latin America: distribution and management strategies. Plant Pathol. 68: 827-833. +
[2] Krämer, U. 2015. Planting molecular functions in an ecological context with Arabidopsis thaliana. eLife. e06100.DOI:10.7554/eLife.06100
[3] Auer, S. and Ludwig-Müller, J. 2015. Biological control of clubroot (Plasmodiophora brassicae) by the endophytic fungus Acremonium alternatum. J Endocytobiosis Cell Res. 26: 46-49.
BEARBEITET DURCH: Helen Phillips
WISSENSCHAFTLICH MENTORIN: Lynette Cheah
QUELLE: Pérez-López E (2021) From the Soil to the Club in the Roots: Clubroot. Front. Young Minds 9:562915. doi: 10.3389/frym.2021.562915
INTERESSENSKONFLIKT: Die Autoren erklären, dass die Forschung in der Abwesenheit von kommerziellen oder finanziellen Beziehungen durchgeführt wurde, die als potenzieller Interessenkonflikt angesehen werden könnten.
COPYRIGHT © 2021 Pérez-López. Dies ist ein offener Zugriff, der unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution License (CC BY) veröffentlicht wird. Die Verwendung, Verteilung oder Reproduktion in anderen Foren ist erlaubt, vorausgesetzt, die ursprünglichen Autor(en) und die Urheberrechtsinhaber(in) werden genannt und die ursprüngliche Veröffentlichung in dieser Zeitschrift zitiert wird, in Übereinstimmung mit der akzeptierten wissenschaftlichen Praxis. Keine Verwendung, Verteilung oder Reproduktion ist erlaubt, die nicht diesen Bedingungen entspricht.
JUNGE GUTACHTER
JUNIPER, ALTER: 11 JAHRE
Ich lese und programmiere gerne. Ich mag auch Tiere. Meine Lieblingsfächer in der Schule sind Mathematik und Kunst.
AUTOR
EDEL PÉREZ-LÓPEZ
Ich bin Assistenzprofessorin am Fachbereich Pflanzenwissenschaften an der Universität Laval, Quebec City, Kanada. Ich stamme aus einer kleinen landwirtschaftlichen Stadt in Kuba und die Landwirtschaft war schon immer Teil meines Lebens. Deshalb beschloss ich Biochemie zu studieren und die Krankheitserreger zu erforschen, die die Pflanzen und die Landwirtschaft beeinflussen. Als ich 2018 zum ersten Mal von der Kohlhernie als Krankheit erfuhr, verliebte ich mich in diesen faszinierenden Krankheitserreger und er ist nun ein zentraler Bestandteil meiner Forschung. Ich hoffe, dass eines Tages einer von Ihnen, ein neugieriger Geist, der dies liest, Teil von Edelab (https://edelabcriv.com/) sein kann um die Geheimnisse hinter den Wechselwirkungen zwischen Krankheitserreger und Pflanze zu entdecken. *edel.perez-lopez.1@ulaval.ca
ÜBERSETZERIN
SUSANNE HORKA
FINANZIERUNG (ÜBERSETZUNG)
Das Team Translating Soil Biodiversity erkennt die Unterstützung des deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig an, das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG FZT 118, 202548816) gefördert wird.
CITATION (ÜBERSETZUNG)
This is an open-access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (CC-BY 4.0). The use, distribution or reproduction in other forums is permitted, provided the original author(s) and the copyright owner(s) are credited and that the original publication in this journal is cited, in accordance with accepted academic practice. No use, distribution or reproduction is permitted which does not comply with these terms.
Recommended citation format: Pérez-López E (2025) From the Soil to the Club in the Roots: Clubroot. (German translation: Susanne Horka). Translating Soil Biodiversity & Front. Young Minds. Originally published in 2021, doi: 10.3389/frym.2021.562915