Bakterien im Boden halten deinen Hamburger „gesund“
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Stephanie D. Jurburg1
1 German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv), Leipzig, Germany
1993 erkrankten bei einem Ausbruch des Bakteriums Escherichia coli in den Vereinigten Staaten über 700 Menschen und weitere Ausbrüche folgten. Eine spezielle Art von E. coli, genannt O157:H7, welches im Darm von Rindern lebt, gelangt ins Wasser und über den Rinderdung bis in den Kompost. Dort kann O157:H7 viele Monate überleben, bis es über Fleisch oder Gemüse den Menschen erreicht, der dann erkrankt. Im Boden jedoch wird das Überleben von E. coli gebremst. Unter den Bodenbakterien ist O157:H7 ein Eindringling und damit abhängig von den ‚Nahrungsresten‘, die ansässige Organismen übriglassen. In vielfältigeren Gemeinschaften fallen weniger dieser Reste an und es ist schwieriger für fremde Organismen dort einzuwandern. Genau deshalb ist E. coli O157:H7 im Boden wenig erfolgreich, dem vielgestaltigsten Lebensraum der Erde, und dies ist einer von vielen Gründen, wieso Bodenbakterien, obwohl sie unsichtbar sind, wichtig sind für unsere Gesundheit.
E. COLI GREIFT AN!
1993 führte ein Ausbruch des Bakteriums Escherichia coli in den Vereinigten Staaten bei über 700 Menschen zu ernsthaften Erkrankungen. Der Übeltäter waren rohe Rinderfrikadellen. Dreizehn Jahre später verursachte ein anderer Ausbruch von E. coli eine riesige Rückrufaktion im ganzen Land für abgepackten Spinat. Dieses Mal war eine Viehzucht direkt neben einem Spinatfeld die Quelle. Inzwischen haben Ausbrüche von E. coli sogar mit dem Verzehr von Käse, Zwiebeln, Soja und erst jüngst Romana-Salat begonnen. Diese Ausbrüche wurden immer vom gleichen Bakterium verursacht: E. coli Stamm O157:H7. Was ist das für ein Bakterium und wieso sorgt es für eine steigende Zahl an Krankheitsausbrüchen? Lies weiter um mehr zu erfahren!
GESCHICHTE UND EIGENSCHAFTEN VON ESCHERICHIA COLI
Die meisten der heute bekannten Bakterien wurden erst in den letzten 10 Jahren entdeckt. E. coli ist eine Ausnahme. Dieses Bakterium wurde schon 1885 im Dünndarm gesunder Menschen gefunden, von einem Kinderarzt namens Theodor Escherich, nach dem es benannt ist. Coli leitet sich vom lateinischen Namen für Dickdarm ab, dem Colon, wo das Bakterium lebt. Weil es im Labor so gut wächst, haben Forscher E. coli weiter untersucht um zu verstehen wie diese Bakterien genau wachsen und wie sie auf ihre Umgebung reagieren.
Viele der Eigenschaften, die E. coli als Studienobjekt so interessant machen, machen es auch besonders. Zum einen wächst E. coli sehr gut, sobald ihm die richtigen Nahrungsquellen geboten werden - und es gibt jede Menge ‚richtige‘ Nahrung für dieses Bakterium. Mit genügend Futter kann E. coli sehr schnell wachsen: von einer einzigen Zelle zu Millionen von Zellen in nur 7 Stunden! Zum anderen können Bakterien ihre Gene verändern und E. coli ist darin besonders gut (Abbildung 1). Gene sind die Bedienungsanleitung einer Zelle und anders als große Lebewesen wie Tiere können Bakterien untereinander mit Genen handeln, Gene von einem Virus erhalten oder Gene aus der Umwelt aufnehmen. Wenn ein Bakterium seine Gene verändert, ändern sich auch sein Verhalten und seine Fähigkeiten. Und seine Nachkommen, die die gleichen neuen Gene erben, werden Mitglieder eines bestimmten Stammes - genauso wie du ein Mitglied deiner Familie bist und viele Eigenschaften mit ihnen teilst. Anstelle von Familiennamen werden Stämme mit einer bestimmten Buchstaben- und Zahlenfolge identifiziert, so wie O157:H7. Das ist wie ein Deckname für Bakterien, so wie die Namen der Roboter in Star Wars, R2-D2 oder C-3PO.
DER SUPERSTAMM O157:H7
Tausende Zellen E. coli aus unterschiedlichen Stämmen leben in gesunden menschlichen Eingeweiden und beschützen uns vor anderen pathogenen oder krankheitsverursachenden Bakterien wie Salmonella. Aber das ist nicht, was der Stamm O157:H7 tut. Erstmals erwähnt im Jahr 1983, infiziert der Stamm E. coli mittlerweile fast 73.000 Menschen pro Jahr alleine in den USA [1]. Was diesen Stamm so einzigartig macht, ist die Zusammenstellung seiner gewonnenen Gene: eine Sorte Gene gibt O157:H7 die Fähigkeit das Gift Shiga zu produzieren, die giftige Substanz, die infizierte Personen erkranken lässt. Gift zu produzieren ist aber nicht immer genug um eine Gefahr für unsere Gesundheit zu werden. Stamm O157:H7 verhält sich auch noch genauso wie ein Krankheitserreger: es versucht sich aktiv auszubreiten. Aber nicht alle Stämme von E. coli tun das. Sein Ausbreitungsverhalten ist auch das Ergebnis von Genen, die aus der Umwelt aufgenommen wurden (Abbildung 1).
Seit 1993 gab es fast jedes Jahr Krankheitsausbrüche durch O157:H7. Wieso können diese nicht verhindert werden? Die Antwort ist einfach, denn es gibt schlicht zu viele Wege, auf denen E. coli dein Essen erreichen kann. Wenn das Rindfleisch deines Hamburgers von einer infizierten Kuh stammt, ist dein Burger wahrscheinlich verseucht, aber das ist nicht das Problem, da Hamburger niemals roh gegessen werden. Wenn du deinen Hamburger brätst, wird E. coli durch die Hitze getötet und das Fleisch kann sicher gegessen werden. Aber Gemüse wie Salat wird oft roh verzehrt und in diesem Fall könnten die Bakterien lebendig sein, wenn du sie zu dir nimmst.
Normalerweise lebt E. coli Wochen bis Monate im Viehdarm, wo es keine Krankheit verursacht (Abbildung 2). In den Fäkalien stecken jedoch viele Zellen von E. coli: ein einziges Gramm Kot einer infizierten Kuh enthält mehr als 50 Millionen dieser Zellen und es ist extrem schwierig sie wieder loszuwerden, wenn sie einmal die Kuh als Dung verlassen haben. Der Dung kann diese Bakterien über 21 Monate lang beherbergen, während ihnen zahlreiche Möglichkeiten gegeben sind in den Boden zu gelangen. Wenn die Bakterien das Wasser erreichen, können sie erneut bis zu 8 Monate überleben und während dieser Zeit ebenso in den Boden gelangen, wenn das Wasser zur Bewässerung auf den Feldern genutzt wird. Einmal im Boden angekommen, kann E. coli Nutzpflanzen befallen und so Früchte und Gemüse verseuchen.
BODENBAKTERIEN ALS LÖSUNG
Bedenkt man, wie lange diese Bakterien leben und wie leicht sie sich verbreiten, fragt man sich, wieso eine Infektion mit E. coli nicht öfter vorkommt? Die Antwort lautet: Um unser Gemüse zu befallen, muss es im Boden überleben, aber seine Fähigkeit dazu ist beschränkt. Im Boden selbst überlebt E. coli nur 3 Monate. Wissenschaftler meinen, dass die Diversität der Bodenbakterien (damit ist die Zahl unterschiedlicher Arten natürlich vorkommender Bakterien gemeint) den Unterschied macht [2]. Denn kein Lebensraum ist vielfältiger als der Boden. Eine Handvoll Boden kann 10.000 verschiedene Bakterien enthalten [3] und sehr oft sind nicht-infektiöse Stämme von E. coli darunter. In verschiedenen Experimenten haben Wissenschaftler gezeigt, dass je größer diese Vielfalt im Boden ist, es umso schwerer für gefährliche Bakterien ist diesen zu bevölkern. Der Grund dafür scheint die Erreichbarkeit von Ressourcen zu sein, die die eindringenden Bakterien zum Überleben brauchen [4]. Der Ressourcenverbrauch von Bakterien ist ähnlich den Futtervorlieben der Tiere, sprich unterschiedliche Bakterien verbrauchen unterschiedliche Ressourcen. Wenn ein Lebensraum wie der Boden eine hohe Diversität an natürlichen Bakterien besitzt, verbraucht die Bakteriengemeinschaft auch eine breites Spektrum an Ressourcen und lässt davon nichts übrig. Wenn E. coli also in einem solchen Lebensraum landet, ist es nicht in der Lage sich zu ernähren oder zu wachsen und stirbt. Eine geringere Zahl an Bakteriengruppen allerdings kann nicht alle Ressourcen aufbrauchen und so kann E. coli die ‚Überreste‘ nutzen um zu wachsen und sich zu verbreiten.
WIE ANTIBIOTIKA ESCHERICHIA COLI HELFEN
Nun weißt du, dass Bakterienvielfalt im Boden wichtig ist um krankheitsverursachenden Bakterien keine Ressourcen übrigzulassen. Unglücklicherweise sind Bodenbakterien ständig der Gefahr von Antibiotika ausgesetzt. Menschen nutzen Antibiotika im Kampf gegen Krankheiten bei Tieren und sich selbst, jedoch sind Böden diesen Antibiotika noch auf weitere Arten ausgesetzt, an die wir gar nicht dachten. Erinnere dich, wie ein Boden mit dem Krankheitserreger E. coli in Kontakt kommt: durch Ausscheidungen der Rinder. Um Krankheitsausbrüche unter Rindern zu vermeiden, bekommen diese oft große Mengen Antibiotika verabreicht. Diese werden von deren Körper aber nicht vollständig umgesetzt und gelangen daher oft im Urin und Kot in die Umwelt. Aber das ist nur der Anfang. Auch über Abwasser werden viele Antibiotika in der Umwelt freigesetzt, durch menschliches Abwasser genauso wie durch Brauchwasser aus Fischfarmen. Diese Wässer vermischen sich in Flüssen, aus welchen dann Wasser zur Bewässerung von Feldern entnommen wird. Diese Antibiotika töten dann im Boden die meisten guten Bakterien, sodass noch mehr Ressourcen für schadhafte Bakterien übrigbleiben, die damit länger überleben und theoretisch Krankheiten verursachen können. Eine wachsende Zahl von Ländern auf der ganzen Welt hat deshalb mittlerweile Gesetze zur Nutzungseinschränkung von Antibiotika in der Viehhaltung erlassen um deren Ausbreitung in der Umwelt zu reduzieren und die Gesundheit der Bürger wie auch der Wildtiere zu schützen.
BAKTERIEN ALS DER KLEINE WEG VOR UNS
Menschen wissen schon seit dem 18. Jahrhundert, dass Bakterien Krankheiten verursachen, aber wir lernen immer noch auf welche Weise sie Krankheiten vorbeugen. In der Tat haben wir erst vor 20 Jahren begonnen das volle Ausmaß der Bakterienvielfalt zu verstehen. Wir dachten, dass eine saubere Umwelt eine sterile sei, ohne jegliche Bakterien. Indem wir mehr und mehr Informationen über die Bakterienwelt sammeln, verändert sich auch unsere Definition von ‚sauber‘, vom Schwerpunkt des Bakterienfehlens hin zum Fokus darauf die ‚richtigen‘ Bakterien dabei zu haben um schadhafte Bakterien an der Invasion zu hindern. Wir wissen mittlerweile, dass Bakterien überall sind und dass es unmöglich ist ohne sie zu leben. Unsere Forschung verschiebt sich vom Befreien unserer Welt von Bakterien mehr zum Lernen wie man die richtigen Bakterien auswählt: die, die unserer Umwelt und unserem Körper helfen gesund zu bleiben. Es gibt trotzdem noch viele unbeantwortete Fragen. Zum Beispiel, wer die ‚richtigen‘ Bakterien überhaupt sind und was sie so speziell macht? Vielleicht könnt ihr ja noch viele der unbekannten Rätsel lösen.
GLOSSAR
Stamm
Die Untergruppe einer Bakterienart, die sich in seinen Genen leicht von anderen Stämmen der gleichen Gruppe unterscheidet.
Gen
Eine DNA-Stück, das die Anleitung zum Bau eines Eiweißes enthält.
Pathogen
Ein Organismus, der eine Krankheit verursachen kann.
Diversität
Die Zahl unterschiedlicher Arten in einer Gemeinschaft.
LITERATUR
[1] Lim, J. Y., Yoon, J. W., and Hovde, C. J. 2013. A brief overview of Escherichia coli O157:H7 and its plasmid O157. J. Microbiol. Biotechnol. 20:5–14. doi: 10.4014/jmb.0908.08007
[2] Thakur, M. P., Putten, W. H., Cobben, M. M. P., Kleunen, M., and Geisen, S. 2019. Microbial invasions in terrestrial ecosystems. Nat. Rev. Microbiol. 17:621–31. doi: 10.1038/s41579-019-0236-z
[3] Le Roux, X., Recous, S., and Attard, E. 2011. “Soil microbial diversity in grasslands,” in Grassland Productivity and Ecosystem Services, eds G. Lemaire, J. Hodgson, and A. Chabbi (CAB International). p. 158–65.
[4] Eisenhauer, N., Schulz, W., Scheu, S., and Jousset, A. 2013. Niche dimensionality links biodiversity and invasibility of microbial communities. Funct. Ecol. 27:282–8. doi: 10.1111/j.1365-2435.2012.02060.x
BEARBEITET DURCH: Malte Jochum, German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv), Germany
QUELLE: Jurburg SD (2020) Bacteria in Soil Keep Your Hamburger “Healthy”. Front. Young Minds 8:545905. doi: 10.3389/frym.2020.545905
INTERESSENSKONFLIKT: Die Autoren versichern, dass die Studie ohne kommerzielle oder finanzielle Beziehungen durchgeführt wurde, die als möglicher Interessenskonflikt ausgelegt werden könnten.
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JUNGE GUTACHTERINNEN UND GUTACHTER
MADDIE, ALTER: 14
Mein Name ist Maddie, ich bin 15 Jahre alt und lebe nahe San Francisco.
MATIAS, ALTER: 15
Ich bin 14 Jahre alt und mag Wissenschaft, Programmieren, Wikinger, Mythologie, Jiu-Jitsu, Rock‘n Roll, Singen und spiele Schlagzeug.
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Ich bin 13 Jahre alt, lebe nahe San Francisco, mag Zeichnen, Videospiele und spiele Gitarre.
AUTORINNEN UND AUTOREN
STEPHANIE D. JURBURG
Stephanie Jurburg schwärmt für kleine Dinge. Seit fast einem Jahrzehnt studiert sie wie Bakterien in und um uns herum unsere Welt formen, uns gesund oder krank machen und unsere Böden fruchtbar halten. Insbesondere interessiert sie sich dafür, wie Bakteriengemeinschaften sich über die Zeit verändern und wie sie sich nach einer Störung wieder erholen. Momentan forscht sie am Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversität (iDiv), wo Bakteriengemeinschaften unterschiedlicher Lebensräume ähnlich sind.
ÜBERSETZERIN
SUSANNE HORKA