Können sich Arten an eine wärmere Welt anpassen?
Forscher zeigen, dass die Fähigkeit zur Anpassung an Klimaänderungen nicht unbegrenzt ist
Basierend auf einer Pressemitteilung der Universität Lancaster
Arten können sich evolutiv schneller an ein abkühlendes Klima anzupassen als an ein sich erwärmendes. Außerdem hat die Anpassungsfähigkeit an höhere Temperaturen ihre Grenzen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie eines internationalen Teams unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Universität Rey Juan Carlos und der Universität Alcalá in Spanien, an der auch Forscher der Lancaster Universität und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) beteiligt waren. Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Communications, untersucht, wie die Evolution einige Arten darauf vorbereitet hat, höheren Temperaturen standzuhalten und wie schnell sich verschiedene Arten an wechselnde Temperaturen anpassen.
Rote Honigameisen ertragen Temperaturen von über 50 °C in der australischen Wüste, während manche Springschwänze extreme Kälte von -30 °C in der Antarktis überlebt. Die physiologische Toleranz gegenüber Hitze und Kälte bestimmt, wo auf dem Planeten ein Organismus überleben kann, doch wir haben nur ein begrenztes Verständnis davon, wie sich diese Toleranz im Laufe der Zeit entwickelt. Dieses Wissen ist allerdings zunehmend von Interesse, da sich das Klima schneller als je zuvor erwärmt.
Die neue Forschungsarbeit trägt dazu bei, diese Wissenslücke zu schließen, indem sie zeigt, dass sich die Hitzetoleranz von Arten langsamer entwickelt als die Kältetoleranz. Sie legt auch nahe, dass sich die Hitzetoleranz nicht unbegrenzt weiterentwickeln kann, wahrscheinlich, weil es grundlegende Grenzen dafür gibt, wie weit Zellmembranen und Proteine der Hitze widerstehen können.
„Ich habe über ein Jahr gebraucht, um Daten zu mehr als 2000 verschiedenen Arten zu sammeln, darunter vielzellige Algen, wirbellose Meerestiere, Säugetiere, Vögel und Pflanzen“, so Erstautorin Dr. Joanne Bennett, die die Studie als Postdoc am iDiv und an der MLU durchführte und jetzt an der Universität von Canberra, Australien, tätig ist. „Ich musste dazu wissenschaftliche Arbeiten zusammenführen, die über mehrere Jahrzehnte hinweg veröffentlicht worden waren und sehr unterschiedliche Methoden verwendeten.“ Das Ergebnis war eine noch nie dagewesene Datenbank über die Fähigkeit verschiedener Arten, Hitzeextreme zu tolerieren (GlobTherm-Datenbank).
Auf dieser Basis testeten die Autoren, was die enormen Unterschiede in der thermischen Toleranz zwischen den Arten erklären könnten: vergangene Klima-„Vermächtnisse“, aktuelle klimatische Extreme oder die physiologischen Grenzen der Evolution.
Die Studie ist ein Produkt der sDiv-Synthesearbeitsgruppe sWEEP. iDiv’s Synthesezentrum sDiv finanziert über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Arbeitsgruppentreffen, in denen 10 bis 20 nationale, internationale Wissenschaftler und iDiv-Forscher gemeinsam wissenschaftliche Fragestellungen bearbeiten. sWEEP Arbeitsgruppe versammelte renommierter Ökologen, Physiologen und Evolutionsbiologen unter der Leitung von Prof. M.Á. Olalla-Tárraga von der Universität Rey Juan Carlos, Spanien, und Prof. I. Morales-Castilla von der Universität von Alcalá, Spanien.
„Unsere Arbeit zeigt, dass sich die Fähigkeit zur Anpassung an Kälte bis zu doppelt so schnell entwickelt hat wie die Fähigkeit zur Anpassung an Wärme“, kommentiert Olalla-Tárraga. „Die Evolution der Kältetoleranz war am schnellsten bei den Endothermen [warmblütige Arten, die ihre eigene Wärme erzeugen können], was vielleicht ihre jüngere Evolution und Expansion in kalte Klimazonen widerspiegelt“, fügt Morales-Castilla hinzu.
Trotz dieser unterschiedlichen Evolutionsgeschichte scheinen die Arten am besten an die extremen Temperaturen angepasst zu sein, die sie heute erleben, und nicht an die Temperaturen, die zu der Zeit herrschten, als sie sich ursprünglich entwickelten. Allerdings entdeckten die Autoren auch evolutionäre „Attraktoren“, die darauf hindeuten, dass es eine Obergrenze gibt, wie weit sich physiologische Prozesse, die die Hitzetoleranz erhöhen, entwickeln können.
„Diese Attraktoren lasen vermuten, dass, obwohl sich die Arten bis jetzt an das sich erwärmende Klima angepasst zu haben scheinen, dieser Prozess nicht unbegrenzt weitergehen kann. Die Auswirkungen auf das Überleben der Arten bei fortschreitendem Klimawandel sind sehr besorgniserregend, wenn die Temperaturen auf der Erde eine offenbar grundlegende physiologische Grenze überschreiten“, sagt Dr. Sally Keith von der Lancaster Universität.
Originalpublikation:
(Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation fett)
Bennett, J.M., Sunday, J., Calosi, P., Villalobos, F., Martínez, B., Molina-Venegas, R., Araújo, M. B., Algar, A. C., Clusella-Trullas, S., Hawkins, B. A., Keith, S. A., Kühn, I., Rahbek, C., Rodríguez, L., Singer, A., Morales-Castilla, I. & Olalla-Tárraga, M. A. (2021): The evolution of critical thermal limits of life on Earth. Nature Communication 12, 1198. DOI: 10.1038/s41467-021-21263-8
Ansprechpartner:
Dr. Joanne M. Bennett
Früher
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Jetzt
Universität Canberra, Australien
Email: Joanne.Bennett@canberra.edu.au
Sebastian Tilch
Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
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