13.10.2021 | Medienmitteilung, TOP NEWS, Evolution und Adaptation

Geologisch lebendige Kontinente erzeugen höhere Artenvielfalt

Tropischer Regenwald in Laos, Südostasien - eine Region, in der sich aufgrund geologischer Dynamiken eine sehr hohe Artenvielfalt entwickeln konnte. (Bild: Foto: Oskar Hagen/iDiv)

Tropischer Regenwald in Laos, Südostasien - eine Region, in der sich aufgrund geologischer Dynamiken eine sehr hohe Artenvielfalt entwickeln konnte. (Bild: Foto: Oskar Hagen/iDiv)

Hinweis für die Medien: Die von iDiv bereitgestellten Bilder dürfen ausschließlich für die Berichterstattung im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter Angabe des/der Urhebers/in verwendet werden.

Neues Computermodell hilft dabei, Artenvielfalt in Regenwäldern besser zu verstehen

Basiert auf einer Medienmitteilung der ETH Zürich

Leipzig, Zürich. Dank eines neuen Computermodells können Forschende des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)und der ETH Zürich nun besser erklären, weshalb die Regenwälder Afrikas weniger Arten beherbergen als die Tropenwälder Südamerikas und Südostasien. Der Schlüssel zu einer hohen Artenvielfalt ist, wie dynamisch sich die Kontinente über die Zeit entwickelt haben

Tropische Regenwälder sind die artenreichsten Lebensräume der Erde. Sie beherbergen eine riesige Zahl von verschiedenen Pflanzen, Tieren, Pilzen und weiterer Organismen. Diese Wälder liegen mehrheitlich auf drei Kontinenten, darunter das Amazonasbecken in Südamerika, das Kongo-Becken in Zentralafrika und das riesige Inselarchipel Südostasiens. Nun könnte man annehmen, dass alle tropischen Regenwälder aufgrund des stabil warmfeuchten Klimas und ihrer geografischen Lage rund um den Äquator in etwa gleich artenreich sind – das trifft jedoch nicht zu. Verglichen mit Südamerika und Südostasien ist die Artenzahl in feuchten Tropenwäldern Afrikas bei vielen Organismengruppen deutlich kleiner.

Palmenvielfalt in Afrika viel kleiner

Diese ungleiche Verteilung – Forschende sprechen von der „pantropischen Diversitätsdisparität“ (PDD) – lässt sich anhand von Palmen gut illustrieren: „Von den weltweit 2500 Arten kommen 1200 in Südostasien und 800 in den Tropenwäldern Südamerikas vor, aber nur 66 in afrikanischen Regenwäldern. Weshalb das so ist, ist unter Biodiversitätsforschenden umstritten“, erklärt Co-Autorin Dr. Renske Onstein, Nachwuchs-Forschungsgruppenleiterin Evolution und Adaptation bei iDiv.

Einige Indizien sprechen dafür, dass das gegenwärtige Klima für die geringere Artenvielfalt in Afrikas Tropenwäldern die Ursache ist. So ist das Klima in Afrikas Tropengürtel trockener und kühler als das in Südostasien und Südamerika. Andere Hinweise sprechen eher dafür, dass sich die unterschiedliche Entwicklung der Umwelt und der Plattentektonik der drei Tropenwaldzonen über Dutzende Millionen von Jahren auf die Entstehung unterschiedlich großer Biodiversität auswirkte. Zu solchen Veränderungen gehören beispielsweise die Bildung von Gebirgen, Inseln oder Trocken- und Wüstengebieten. Die beiden Faktoren – gegenwärtiges Klima und Umweltgeschichte - lassen sich jedoch nur schwer auseinanderhalten.

Gebirgsbildung förderte Artenvielfalt

Die Forschenden sind nun dieser Frage mithilfe eines neuen Computermodelles namens „gen3sis“ nachgegangen. „Das Modell erlaubt uns, die Evolution und Diversifizierung der Arten über viele Millionen von Jahren hinweg zu simulieren“, erklärt Dr. Oskar Hagen, der das Modell im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelt hat, die von Prof. Loïc Pellissier, Professor für Landschaftsökologie an der ETH Zürich betreut wurde. Die Forschenden kommen zum Schluss, dass das gegenwärtige Klima nicht der Hauptgrund sei, weshalb die Artenvielfalt in den Regenwäldern Afrikas geringer ist. Die Artenvielfalt, so schließen sie aus den Simulationen, wurde durch die Dynamik der Gebirgsbildung und Klimaveränderungen hervorgebracht. Die Ergebnisse der Simulationen decken sich weitgehend mit den heute beobachtbaren Mustern der Biodiversitätsverteilung.

Entscheidend für eine hohe Artenvielfalt auf einem Kontinent ist insbesondere die Dynamik geologischer Prozesse. Aktive Plattentektonik fördert die Gebirgsbildung, wie die Anden in Südamerika, oder die Entstehung von Insel-Archipelen wie in Südostasien. Beide Prozesse führen dazu, dass sich viele neue ökologische Nischen bilden, in denen wiederum zahlreiche neue Arten entstehen. Der Regenwaldgürtel Afrikas hingegen war in den vergangenen 110 Millionen Jahre tektonisch weniger aktiv. Auch war dieser Tropenwald verhältnismäßig klein, da er von Trockengebieten im Norden und Süden begrenzt war und sich nicht weiter ausdehnen konnte. „Arten aus Regenwäldern können sich kaum an die Verhältnisse der umgebenden Trockengebiete anpassen“, betont Pellissier.

Neue mechanistische Ansätze in der Biodiversitätsforschung

Das Modell „gen3sis“ wurde erst kürzlich im Fachjournal PLoS Biology vorgestellt. Es ist ein mechanistisches Modell, in welchem die primären Rahmenbedingungen wie die Geologie und das Klima sowie die biologischen Mechanismen eingebaut sind und aus welchen die Biodiversitätsmuster hervorgehen. Um die Entstehung der Biodiversität zu simulieren, müssen folgende wichtige Prozesse im Modell integriert werden: Ökologie (jede Art hat ihre begrenzte ökologische Nische), Evolution, Artbildung (engl: speciation) und Ausbreitung (engl: dispersal). So kann dann die Bestandsdynamik von Organismen vor dem Hintergrund von sich verschiebenden Umweltbedingungen simuliert werden. „Mit unserem Modell können wir aufzeigen, wie komplexe Geologische, Klimatische und Biologische Prozesse interagieren und wie unterschiedliche Biodiversitätsmuster entstehen“, so Hagen. Indem die Forschenden ihr Modell auf diesen grundlegenden evolutionären Mechanismen aufbauen, können sie die Artenvielfalt simulieren, ohne dass sie es mit (Verbreitungs-)Daten für jede einzelne Art füttern müssen.

Mit weiteren Simulationen wollen die Forscher untersuchen, wie Biodiversität in anderen artenreichen Regionen entstanden ist und wie sie sich zukünftig unter unterschiedlichen Bedingungen weiterentwickeln könnte. Der Modellcode und die Rekonstruktionen der frühzeitlichen Umwelt sind quelloffen. Alle interessierten Evolutions- und Biodiversitätsforschenden können ihn nutzen, um die Bildung von Artenvielfalt in verschiedensten Regionen der Welt zu untersuchen.

Originalpublikation:
(iDiv-Wissenschaftler fett gedruckt)

Hagen, O., Skeels, A., Onstein, R., Jetz, W., Pellissier, L. (2021): Earth history events shaped the evolution of uneven biodiversity across tropical moist forests. Proc Natl Acad Sci USA October 5, 2021 118 (40) e2026347118; doi: https://doi.org/10.1073/pnas.2026347118

Hagen, O., Flück, B., Fopp, F., Cabral, J. S., Hartig, F., Pontarp, M., et al. (2021): gen3sis: A general engine for eco-​evolutionary simulations of the processes that shape Earth’s biodiversity. PLoS Biol 19(7): e3001340. doi: https://doi.org./10.1371/journal.pbio.3001340

 

Ansprechpartner:

Dr. Oskar Hagen(Deutsch, Englisch)
Flexpool-Post-Doktorand am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
E-Mail: oskar.hagen@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/profile/1410.html

 

Dr. Renske Onstein(spricht Englisch, Niederländisch und Deutsch)
Leiterin der Junior-Forschungsgruppe Evolution und Adaptation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9733 -129
E-Mail: renske.onstein@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/gruppen_und_personen/kerngruppen/evolution_und_adataption.html

 

Urs Moesenfechtel, M.A.(Englisch, Deutsch)
Media and Communications
German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9733106
E-Mail: urs.moesenfechtel@idiv.de
Web: www.idiv.de/media

 

Diese Seite teilen:
iDiv ist ein Forschungszentrum derDFG Logo
toTop