21.08.2019 | Biodiversitätsökonomik, TOP NEWS
Großer Beitrag der Kleinfischerei zur Ernährungssicherheit
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Bericht von Kira Lancker, PostDoc Biodiversity Economics am iDiv und der UL, und Erstautorin von zwei neuen Publikationen in den Fachzeitschriften Food Policy und PLoS ONE.
Leipzig, Kiel. Ernährungssicherheit ist eine globale Herausforderung. In wenigen Jahren muss ausreichend Nahrung für 9 Milliarden Menschen produziert und fair verteilt werden. Kleine, mit Holzbooten betriebene Fischereien spielen in vielen Entwicklungsregionen eine entscheidende Rolle bei der Nahrungsversorgung und Einkommen. Wir sind nun in der Lage, die Beiträge dieser Kleinfischerei zur Ernährungssicherheit zu modellieren und vorherzusagen, wie sich Schwankungen der Fischbestände, die Marktentwicklung und der Klimawandel auf sie auswirken. Unsere Anwendung auf eine senegalesische Fischerei zeigt, dass ein Verlust des Zugangs zur Ressource für die Küstenbewohner einen Verlust in Höhe von 2 % der jährlichen Lebensmittelkosten pro Kopf bedeuten würde. Der Wert der Fischerei für die lokale Ernährungssicherheit beträgt mehr als das Fünffache der jährlichen Einnahmen aus dem derzeitigen Fischereiabkommen zwischen der EU und Senegal. Unsere Ergebnisse helfen politischen Entscheidungsträgern dabei, bessere ethische und wirtschaftliche Entscheidungen über den Einsatz von Meeresressourcen zu treffen. Politische Entscheidungsträger bestimmen darüber, wie Meeresressourcen genutzt werden sollen. Oft neigen sie dazu, Fischereirechte an den Meistbietenden zu verkaufen, z.B. an die EU. Mangelnde Informationen über den Wert der kleinskaligen Fischerei erschweren dabei einen direkten Vergleich. Um eine fundierte Entscheidung über solche Abkommen treffen zu können, müssen Entscheidungsträger den Wert der handwerklichen Kleinfischerei für die Ernährungssicherheit ihres Landes kennen und die Folgen für die Ernährungssicherheit abschätzen können, also, ob die lokalen Fischbestände aufgrund von Fischereiabkommen reduziert werden. Fischereiabkommen beeinflussen die Nahrungssicherheit der Bevölkerung Unsere Arbeit zeigt, dass zurückgehende Fischbestände gleichzeitig die Fischereikosten, die Fischpreise und die Anzahl der Fischer und Kanus verändern. Die Quantifizierung des gesamten Nettoeffekts ist daher eine neue, wichtige und notwendige Leistung. Unsere Analyse der Kausalzusammenhänge bietet auch Einblicke in ähnliche Fischereien auf der ganzen Welt, für die häufig keine Daten verfügbar sind. Im EU-Projekt PREFACE haben wir gemeinsam mit Wissenschaftlern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ein Modell entwickelt, das die Komplexität kleinskaliger Fischereien erfasst. Wir berücksichtigen Entscheidungen von Fischern und lokalen Fischkonsumenten, Arbeits- und Kapitalmärkte sowie die biologische Produktivität der Fischbestände und Klima-Auswirkungen. In einer kürzlich in Food Policy erschienenen Veröffentlichung zeigen wir, dass die kleinskalige Fischerei auf zweierlei Weise einen großen Beitrag zur Ernährungssicherheit leistet: 1. Die lokale Bevölkerung bekommt Zugang zu erschwinglicher, eiweißreicher Nahrung. 2. Die Berufsgruppe der Fischer, die sonst keine alternativen Einkommensmöglichkeiten hätte, kann ihren Lebensmittelbedarf finanzieren. Wir konnten auch die Bedeutung der lokalen Marktentwicklung untersuchen. Eine städtische Region mit einem belebten, lokalen Markt bietet Verbrauchern Zugang zu Fleisch und anderen nicht lokalen Nahrungsmitteln, d. h. einer vielfältigeren Auswahl an Eiweißnahrungsmitteln. Diese Verbraucher sind weniger auf lokal gefangenen Fisch angewiesen. Unser Modell fängt diesen Effekt bemerkenswert gut ein und zeigt, dass die Marktentwicklung für die kleinskalige Fischerei eine entscheidende Rolle spielt: Die lokale Fischerei ist für Konsumenten in abgelegenen Regionen von weitaus größerer Relevanz. Der Klimawandel kann die Kleinfischerei erheblich beeinträchtigen In einem zweiten Teil haben wir mit Klimaforschern aus Norwegen und den Niederlanden zusammengearbeitet, um die Auswirkungen des Klimawandels zu erforschen. Wir stellen fest, dass aufgrund des wärmeren Wassers Fische in küstennähere Gewässer wandern und von den Fischern leicht gefangen werden können. Die Fischereikosten sinken und der Fisch wird für die Verbraucher billiger, so dass die Nachfrage steigt. In unserem zweiten Artikel, der in PLoS ONE veröffentlicht wurde, zeigen wir, wie dieser Wandereffekt zu einer nicht nachhaltigen Überfischung und schließlich zum Aussterben des lokalen Fischbestandes führen kann. Wir gehen davon aus, dass der Fischbestand zwischen 2030 und 2035 wirtschaftlich aussterben wird, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Wir stellen jedoch auch fest, dass der Klimawandel mittelfristig die biologische Produktivität nicht verändern wird. Dies bedeutet, dass der künftige Beitrag zur Ernährungssicherheit und zum Einkommen im Vergleich zum derzeitigen Niveau sogar steigen könnte, wenn es den Fischern und politischen Entscheidungsträgern gelingt, eine Überfischung zu vermeiden. Mit anderen Worten: Der Klimawandel kann die Notwendigkeit erhöhen, Ressourcenmanagement für eine Fischerei zu etablieren.
Kira Lancker
Originalpublikationen:
(iDiv-Wissenschaftler fett)
Lancker, K., Fricke, L., Schmidt, J. O. (2019), Assessing the contribution of artisanal fisheries to food security: A bio-economic modeling approach, Food Policy, im Druck, doi: 10.1016/j.foodpol.2019.101740.
Lancker, K., Deppenmeier, A.-L., Demissie, T., Schmidt, J. O. (2019), Climate change adaptation and the role of fuel subsidies: An empirical bio-economic modeling study for an artisanal open-access fishery, PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0220433.
Kontakt:
Dr. Kira Lancker
Biodiversity Economics
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Universität Leipzig
Tel.: +49 341 9733265
Email: kira.lancker@idiv.de
https://www.idiv.de/en/groups_and_people/employees/details/eshow/lancker_kira.html