Wie viele invasive Arten vertragen unsere Ökosysteme?
Neobiota begünstigen künftigen Verlust der Artenvielfalt dramatisch
Basiert auf einer Medienmitteilung der Universität Wien
Schon 20 bis 30 Prozent mehr invasive Arten führen zu weltweiten dramatischen Biodiversitätsverlusten in der Zukunft. Zu diesem Schluss kommt die Studie eines internationalen Forscherteams unter der Leitung der Universität Wien und unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ. Ursachen seien vor allem der zunehmende globale Warentransport, der Klimawandel und das wirtschaftliche Wachstum. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht.
Durch menschliche Aktivitäten werden immer mehr Arten absichtlich und unabsichtlich in neue Regionen der Welt gebracht – etwa durch Reisende oder über den Transport von Waren. Ein Teil dieser gebietsfremden Arten, wissenschaftlich Neobiota genannt, hat negative Folgen für die Biodiversität und für den Menschen, etwa indem sie andere Arten verdrängen oder Krankheiten übertragen. Während wir relativ gute Informationen über die historische Ausbreitung von Neobiota haben, gibt es bisher aber erst wenige Erkenntnisse über deren zukünftige Entwicklung.
Dramatische Biodiversitätsverluste
Momentan ist es noch nicht möglich, anhand von Computermodellen präzise Vorhersagen zu geben, wie sich die Ausbreitung und der Einfluss von Neobiota in der Zukunft verändern werden. Daher sind Einschätzungen von Experten über standardisierte Umfragen ein wichtiges Werkzeug, um ein besseres Verständnis über die Ursachen und Folgen der Ausbreitung von Neobiota in den kommenden Jahrzehnten zu erhalten und so zu präzisen Vorhersagen zu kommen. Die Umfrageergebnisse der Studie ergaben, dass schon ein Anstieg um 20 bis 30 Prozent neu eingeschleppter Neobiota als ausreichend für massive globale Biodiversitätsverluste gesehen wird – ein Wert, der angesichts der zunehmenden Anzahl an eingeschleppten Arten bald erreicht sein dürfte.
Klimawandel und Handel fördern Zuwachs gebietsfremder Arten
Weiterhin steht vor allem der Mensch im Zentrum zukünftiger Ausbreitung von Neobiota. Die Experten identifizieren drei Hauptgründe: Allen voran den zunehmenden globalen Warentransport, gefolgt vom Klimawandel und dem Ausmaß wirtschaftlichen Wachstums. Die Studie zeigt auch auf, dass bei ambitionierten Gegenmaßnahmen die Ausbreitung von Neobiota stark gebremst werden kann.
Die Forscher untersuchten auch den Einfluss der Ausbreitung von Neobiota auf verschiedene Regionen der Welt: So spielt der Tourismus eine besondere Rolle in der Einschleppung von Arten in tropische und subtropische Regionen, während der Klimawandel mit milderen Wintern vor allem in den polaren und gemäßigten Regionen das Überleben und die Etablierung von Neobiota in der Zukunft begünstigt.
Politik in der Verantwortung
„Unsere Studie zeigt, welchen Handlungsspielraum wir momentan haben, um den Einfluss von Neobiota in der Zukunft zu reduzieren“, sagt Erstautor Dr. Bernd Lenzner von der Universität Wien. Die Wissenschaftler sehen die politischen Entscheidungsträger in der Verantwortung zu handeln. Die Ergebnisse bildeten dabei eine wichtige wissenschaftliche Grundlage für die Weiterentwicklung internationaler Abkommen, wie den Sustainable Development Goals (SDGs) oder der UN-Biodiversitätskonvention.
„Indem wir die Auswirkungen anderer wichtiger Triebkräfte des Globalen Wandels wie Eutrophierung und Umweltverschmutzung minimieren, verringern wir potenziell auch indirekt die Arteninvasionen und ihre Auswirkungen“, sagt Dr. Marten Winter vom iDiv. „Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die Zusammenarbeit zugunsten eines Austauschs räumlich hoch aufgelöster Überwachungsdaten zu stärken und ein über politische Grenzen hinweg koordiniertes Management gebietsfremder Arten zu etablieren.“
Originalpublikation:
(Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation fett)
Franz Essl, Bernd Lenzner, Sven Bacher, Sarah Bailey, Cesar Capinha, Curtis Daehler, Stefan Dullinger, Piero Genovesi, Cang Hui, Philip E. Hulme, Jonathan M. Jeschke, Stelios Katsanevakis, Ingolf Kühn, Brian Leung, Andrew Liebhold, Chunlong Liu, Hugh J. MacIsaac, Laura A. Meyerson, Martin A. Nuñez, Aníbal Pauchard, Petr Pyšek, Wolfgang Rabitsch, David M. Richardson, Helen E. Roy, Gregory M. Ruiz, James C. Russell, Nathan J. Sanders, Dov F. Sax, Riccardo Scalera, Hanno Seebens, Michael Springborn, Anna Turbelin, Mark van Kleunen, Betsy von Holle, Marten Winter, Rafael D. Zenni, Brady J. Mattsson, Nuria Roura-Pascual (2020): Drivers of future alien species impacts: An expert-based assessment. Global Change Biology 00:1–15. DOI: 10.1111/gcb.15199.
Ansprechpartner:
Dr. Marten Winter
Koordinator Synthesezentrum (sDiv)
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Tel.: +49 341 9733129
E-Mail: marten.winter@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/gruppen_und_personen/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/64.html
Prof. Dr. Ingolf Kühn
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Tel.: 0345 558 5311
E-Mail: ingolf.kuehn@ufz.de
Web: www.ufz.de/index.php
Sebastian Tilch
Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 97 33197
E-Mail: sebastian.tilch@idiv.de
Web: www.idiv.de/medien